Konfuzianismus

Konfuzianismus (Chinesisch 儒學, Wissenschaft der Gelehrten) ist der Begriff für Philosophien und politische Vorstellungen, die sich in die Tradition des Konfuzius und seiner Schüler stellen. Konfuzius' Schule wird in China auch als Rujia (儒家) bezeichnet, was Sanfte Schule bedeutet. Der heutige Begriff Konfizianismus geht auf christliche Missionare zurück, die im 17. Jahrhundert den Namen des Begründers der Schule, 孔子/孔夫子 (Kongzi, Kongfuzi) latinisierten. Konfuzius wurde von seinen Anhängern als Vorbild und Ideal verehrt, seine moralischen Lehren und eigene Lebensweise als mustergültig angesehen. Der Konfuzianismus gehört neben dem Buddhismus und Daoismus zu den "Drei Lehren". Er prägt seit vielen Jahrhunderten die chinesische Kultur und Gesellschaft und beeinflusst den Alltag in Japan, Korea, Singapur und Taiwan ebenso wie in Vietnam. Im 20. Jahrhundert erreichten seine Ideen auch die westliche Welt.

... Biographie siehe >> Konfuzius

Die Lehre

Die 5 Tugenden

  1. Gegenseitige Liebe oder auch Menschlichkeit
  2. Rechtschaffenheit 
  3. Gewissenhaftigkeit 
  4. Ehrlichkeit 
  5. Gegenseitigkeit (Goldene Regel: "Was du nicht willst was man dir tu', das füg' auch keinem ander'n zu!") 


Daraus werden auch die 3 sozialen Pflichten abgeleitet:

Loyalität (chin.
zhong wörtl. "Untertanentreue") 
Kindliche Pietät (chin.
xiao; wörtl. "Verehrung der Eltern und Ahnen") 
Anstand und Sitte (chin.
li; umfasst alle Umgangsformen, sowohl unter den Menschen (Höflichkeit und Etikette) als auch zwischen Menschen und der übersinnlichen Welt (Zeremonien, Opferriten)) 

Weil die Ordnung Konfuzius' Meinung nach durch Achtung vor anderen Menschen und Ahnenverehrung erreichbar sei, erhielten Anstand und Sitte sowie kindliche Pietät die wichtigste Stellung im praktischen Leben. Kinder sollen die Ahnenverehrung fortsetzen, weswegen Kinderlosigkeit als großes Unglück gilt. Die Summe aller Tugenden ist die wirkliche Mitmenschlichkeit (chin. ren
). Sie allein zeigt, wer innerhalb der Ordnung loyal, gerecht und ehrlich handelt.

Wer Anstand und Sitte entsprechend lebt – also der Etikette, den Riten und der Sitte nach – und sich für die Ahnen aufopfert, verändert sich allein dadurch zum Guten. Das löst einen Dominoeffekt aus, der auf seine Mitmenschen und schließlich den gesamten Kosmos wirkt, was die eigentliche Urordnung wiederherstellt. Das heißt:

Wenn Familien in Harmonie sind, ist es auch das Dorf. 
Sind Dörfer in Harmonie, ist es auch die Provinz. 
Sind Provinzen in Harmonie, dann ist es auch das ganze Reich. 
Deswegen soll der Mensch auch stets das Gemeinwesen und das Staatsinteresse im Auge haben.


5 menschliche Elementarbeziehungen

Vater-Sohn 
Herrscher-Untertan 
Ehemann-Ehefrau 
Älterer Bruder-Jüngerer Bruder 
Freund-Freund 

Vater-Sohn 
Herrscher-Untertan 
Ehemann-Ehefrau 
Älterer Bruder-Jüngerer Bruder 
Freund-Freund 

Wichtigkeit des Studiums 

Das Studium ist Voraussetzung für das Verständnis der Ordnung des Himmels und der Menschen. Allerdings soll man nur ergänzend zum Denken lernen. Konfuzius sagt also: „Lernen ohne zu denken ist sinnlos; aber denken ohne zu lernen ist gefährlich.“

Die Schriften

Der Kern von Konfuzius Lehre sind die Fünf Klassiker, die er seinen Schülern zur Lektüre empfahl. Wie Sokrates hat Konfuzius selbst keine Schriften hinterlassen. Seine "Lunyu" (Gesammelten Worte) wurden erst von seinen Schülern kompiliert.

5 klassische Bücher

Yijing = das Buch der Wandlungen 
Shijing = das Buch der Lieder 
Shujing = das Buch der Urkunden 
Chunqiu = die Frühlings- und Herbstannalen 
Liji = das Buch der Riten

Konfuzianismus als Gesellschaftsmodell und Staatsdoktrin

Die in Konfuzius Tradition stehenden Denker werden in China unter dem Begriff Rujia zusammengefasst und entwickelten Vorstellungen, die den gesamten ostasiatischen Raum bis heute entscheidend prägten. Trotz verschiedener großer Brüche in der Geschichte, wie der legendären Verfolgung der Rujia unter dem chinesischen Kaiser Qin Shihuangdi im 3. Jh. v. Chr. oder der Verteufelung von Konfuzius durch Mao Zedong während der ersten vierzig Jahre der Volksrepublik China im vergangenen Jahrhundert haben die humanistischen und klaren Vorstellungen, die Konfuzius geprägt hatte, durch ständige Neuinterpretation in den Epochen als Basis der Gesellschaftsform gedient und das Ideal von Besonnenheit und Mitgefühl geprägt.

Der Konfuzianismus selbst bildete die Staatsdoktrin zahlreicher Dynastien; ab der Han-Dynastie gab es ein umfassendes Prüfungssystem für Beamten, zu dem vor allem die umfassende Kenntnis konfuzianischer Lehren zählte. Infolge der "Bedrohung" durch andere Weltanschauungen (chin.
, Pinyin: jiāo; bedeutet sowohl Lehre, Philosophie als auch Religion) wie Taoismus und Buddhismus entwickelte sich in der Song-Dynastie eine neue Strömung, der Neo-Konfuzianismus des Zhu Xi. Dieser Konfuzianismus tolerierte auch mythische Elemente, obgleich der „Meister“ einst sprach: „Wenn du das Leben noch nicht kennst, wie sollst du da den Tod verstehen!“ Zhu Xi stellte die Vier Bücher zusammen, die eine wichtige Grundlage für den Neo-Konfuzianismus des zweiten Jahrtausends darstellten.

Während die Aufklärung stark auf die Freiheit des einzelnen Individuums abstellt, zielt der Konfuzianismus auf die Rolle jedes Einzelnen im gesamtgesellschaftlichen Beziehungsnetzwerk ab.

Konfuzianismus als Religion

Die Frage, ob der Konfuzianismus eine Religion ist, Philosophie, Wissenschaft oder soziale Lehre, geht an der religiösen Wirklichkeit Ostasiens vorbei. So finden sich im Konfuzianismus allgemein verbreitete religiöse Elemente Ostasiens wie etwa die Verwendung des Begriffes Dao und der Ahnenkult. Konfuzianistische Elemente sind aber auch in viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens eingedrungen. Der Konfuzianismus ist eine Lehre unter anderen, die sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern kombinieren lassen.

Institutionell waren die Zentren des Konfuzianismus die Miao, "Konfuziustempel". Hier wurden der Gründer und seine Schüler rituell verehrt, als Schöpfer und Ursprung der Lehre, als Beschützer, von den Angehörigen der Kong-Sippe als mythischer Ahnherr. Einzelne Verehrer Konfuzius baten hier um das Bestehen von Prüfungen oder gute soziale Beziehungen. Die mit dem Staat verbundenen Tempel richteten oftmals große Rituale für den Hof aus. Zudem waren die Konfuziustempel oft Lehranstalten und Prüfungsinstanzen des ebenfalls ritualisierten kaiserlichen Prüfungssystems.

Die Bedeutung des institutionellen Konfuzianismus erhielt einen schweren Schlag durch die Abschaffung des Prüfungssystems und andere Veränderungen der Moderne. Wenngleich der Konfuzianismus immer noch einigen Einfluss ausübt und der Meister weiterhin rituell verehrt wird, wird der Konfuzianismus meist nicht mehr als eigene Religion genannt. Statistiken haben nur einen geringen Aussagewert über die tatsächliche Verbreitung.


Im Jahr 1995 wurde der Konfuzianismus in Korea zur Religion erklärt und hat dort etwa 10 Millionen Anhänger.

Kritik

Gerade im Westen erscheint die Instrumentalisierung des Konfuzianismus durch autoritäre Regime wie etwa in Singapur bedenklich. Max Weber sah in der konfuzianischen Ethik den Ursprung für Chinas Rückständigkeit während des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Doch auch in früheren Zeiten ist der Konfuzianismus gerade in seinem Ursprungsland China oft stark kritisiert worden. Während der Zeit der Streitenden Reiche geschah dies vor allem von Seiten der Daoisten, Mohisten und natürlich der Legalisten, die dem Konfuzianismus eine übermäßige Betonung des Rituellen vorwarfen. Für Zhuangzi lief die konfuzianische Ethik oftmals in Heuchelei hinaus. Nach der Reichseinigung und dem Sturz der ersten kaiserlichen Dynastie (Qin) wurde der Konfuzianismus unter den Han Staatsdoktrin und verschmolz mit Elementen des Legalismus zur dominanten Philosophie Chinas.

Die Entstehung des Neokonfuzianismus konsolidierte die inzwischen 1400 Jahre alte Lehre endgültig, doch der Konflikt mit den westlichen Mächten und Japan in den letzten 100 Jahren der Qing-Dynastie führte Teilen der chinesischen Bildungselite die Rückständigkeit ihres Landes vor Augen. Zunächst wurde versucht, westliche Technologie mit konfuzianischer Ethik zu verbinden (sog. Selbststärkung). Doch während des frühen 20. Jahrhunderts wurden Stimmen unter den Intellektuellen lauter, die die Abschaffung der traditionellen chinesischen Kultur als einziges Mittel zur Rettung des Landes ansahen – für sie war diese Kultur der Grund für Chinas Schwäche, und in erster Linie geriet der Konfuzianismus ins Kreuzfeuer der Kritik. Auch nach der Revolution von 1912 blieb China Spielball ausländischer Mächte: die 21 Forderungen Japans, einer Siegermacht des Ersten Weltkriegs erzürnten 1919 Chinas Nationalisten. Die Bewegung des 4. Mai entstand, ihr Anliegen war die Modernisierung und der erneute Aufstieg Chinas. Das Ziel, China als Nation wieder erstarken zu lassen, konnte nach Ansicht liberaler und linksgerichteter Studenten nur durch die Zerschlagung der eigenen Kultur erreicht werden- Aberglaube, Ahnenkult und kindliche Pietät galten fortan als gefährliche Relikte der Vergangenheit, als „Müll“, der den Fortschritt der chinesischen Nation unmöglich mache.

Kaum 50 Jahre später sollten ihre Forderungen gewissermaßen in die Tat umgesetzt werden- in der Kulturrevolution. Während der Anti-Lin, Anti-Kong Kampagne wurde der Konfuzianismus als Relikt des chinesischen Feudalismus (nach marxistischer Theorie) zum Hindernis für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung erklärt, wobei allerdings der eigentliche Zweck die Beseitigung politischer Gegner Maos und der Viererbande war. In der modernen chinesischen Literatur kommt diese Kritik gerade in den Werken Lu Xuns zum Tragen: subtil wird der Konfuzianismus dort als Hemmnis für Chinas Fortschritt angeprangert. Menschliche Zwischenbeziehungen verkämen im Konfuzianismus zu Entfremdung und „Menschenfresserei“, so in der Kurzgeschichte Tagebuch eines Verrückten.

Quelle  http://de.wikipedia.org/wiki/Konfuzianismus Stand 200702

 

Ideologie und Religion siehe >> Taoismus bzw. Daoismus

 

Religionslexikon    Dialog-Lexikon